Von einem der auszog

Ein peinliches Kapitel meiner eigenen Vergangenheit.

Mitte der 90er war es dann soweit.

Als Sohn meiner Eltern brauchte ich mich zwar um nichts kümmern, denn Geld kam von allein und es gab ein „Tischlein Deck dich“ und in meinem Schrank waren immer saubere Klamotten, naja so wie man sich das eben vorstellt.

Da mein Vater aber eine sehr neugierige Eigenschaft hat ,was mein Leben betraf und da ich nun schon 2 Jahre mit meiner Freundin zusammen war..naja Fern- und Wochenendbeziehung aber immerhin, reichte es mir irgendwann und ich wollte ausziehen.

Trotz allen Elternhäuslichen Heinzelmännchen gab es dann doch immer ein Kontrollorgan ,was zwar nicht bestimmend war aber schon nervend und eine dumme Ausrede mußte man sich immer überlegen ,wenn man mal zu irgendwas keine Lust hatte ,was aber notwendig im Ernst des Lebens war.

Also schnell mal die Zeitung aufgeschlagen und in die Wohnungsanzeigen geschaut.

Da ich weit draußen am rande Berlins auf einem Dorf wohnte und jung war ,gab es für mich nur eine Möglichkeit …mitten in die große Stadt zu ziehen.

Weit weg von meinen Eltern aber auch nicht zu weit um ab und zu nochmal auf ihre Hilfe (mit selbstverständlichkeit) zurückgreifen zu können.

Die erste oder zweite Anzeige die gefiel.

Es wurde ein Ortstermin am nächsten Tag vereinbart und ich war wohl der einzigste der beim Anblick der Wohnung nicht gleich kopfschüttelnd wieder rausging.

Ich meldete mein Interesse an und der Vermieter hatte es nötig mir ein bisschen Druck zu geben ,es gäbe noch andere Interessenten (wo die aber blos waren) damit man schnell zum Mietvertrag übergehen konnte.

Das war dann auch 2 Tage später der Fall.

Eine schöne 1 Zimmerwohnung mit 30 Quadratmeter mit wohl 20 QM Hauptzimmer , 8 QM Bad und 2 QM „kochecke“ Stellplatz für Kühlschrank und Spühle und Vorraum.

Mitten an einer der befahrensten Verkehrsadern in Berlin überhaupt.

Zwischen Stadtautobahn und Krankenhaus und Stadtflughafen Tempelhof.

Im Sommer zog der Betonklotz bis zu 35 Grad in die Bude und im Frühling und Herbst hatte man immer ein paar Handtücher unterm Fenster ,wenns den Regen reingedrückt hat.

Groß Fenster aufmachen gabs nicht ,da man dann nämlich laut schreien konnte ,ohne sich selbst zu hören (Verkehrs und Fluglärm) oder man lüftete einfach nicht weil die Luft selbst nach 2 Wochen ohne lüften drinnen immernoch gesünder war als die draußen.

Aber egal endlich weg von zu Hause in meinem eigenen Reich.

Meine Freundin kam nur alle 2 oder 3 Wochen und dann ging das langsam zu ende und ich besuchte sie eher als sie mich und dann wars eh aus und wir sahen garnicht mehr.

Durch die Trennung hatte ich auch nichtmehr so den Elan meine Lehrstelle regelmäßig aufzusuchen,bis ich dann gar nichtmehr hingehen brauchte.

Aber was solls ich bin ja mein eigener Herr und habe meine eigene Wohnung und keiner nervt mich hier morgens um 11 aus dem Bett.

Geld für die Miete gabs natürlich weiterhin von meinen Eltern und so konnte das Spielchen des Lebens weitergehen.

Da ich nun arbeitslos war hatte ich jede Menge Zeit und auch viel Zeit immer bequemer und fauler zu werden.

Wenn man immer Fauler wird und es irgendwann nichtmehr fauler geht ,fängt Verwarlosung an!

Da lebte ich von Pizza-Bringdiensten oder ich quälte mich mal auf um eine Tiefkühlsache zu holen oder hab mir einen Döner geholt oder war bei Burger King.

Ohne richtige Kontrolle meiner Eltern ,denn das Telefon konnte man klingeln lassen bis es keine Lust mehr hat…fiel ich nun immer weiter runter.

Wenn man einst so verwöhnt wurde und einem der Arsch nachgetragen wurde ,dann neigt man vielleicht zur Faulheit ,wenn man in sein eigenes Leben startet.

Mein Fernseher war mein ständiger Begleiter der fast nie aus war.

Irgendwann fing mein Tag um 16 Uhr an und hörte morgens um 8 oder 9 Uhr auf…alles verschob sich immer weiter nach hinten und bleib dann irgendwann so stehen.

Da es auch noch Winter war gabs wohl viele Tage an dem ich kein Tageslicht gesehen habe.

Wenn es mir dann mal zu langweilig in der Wohnung wurde (naja nach 4 Tagen am Stück im Bett vorm Fernseher hängen reicht irgendwann) dann fuhr ich also morgens um 16 Uhr raus in mein Heimatdorf und ging entweder kurz zu meinen Eltern etwas warmes essen oder besuchte einen guten Freund,der damals genauso drauf war wie ich.

Da ich mein ganzes Leben lang noch nie geputzt habe oder aufgeräumt hatte (dafür war ja meine Mutter da)..sah es in meiner Wohnung nach ein paar Monaten des dahinsiechens schon sehr krass aus.

Da ich jeden 2 oder 3 Tag vom Pizza Service lebte ,konnte man sehen welche Pizza ich vor wieviel Wochen bestellt hatte.

Müll stapelte sich in meinem Zimmer und nur das wirklich stinkenste und schon verwesenste wurde in die Mülltonne entsorgt.

Einkaufen lohnte sich dann irgendwann auch nicht mehr ,da ich kein Geschirr mehr hatte..alles was ich benutze wusch ich zwar Angangs noch ab aber irgendwann sammelte sich benutzes Geschirr in der Badewanne ,weil in der Spühlecke kein Platz war mein ganzes Geschirr zu stapeln.

Dieses machte dann auch die Körperpflege unmöglich und es blieb beim Zähneputzen und kurz mal Gesicht waschen.

Alle 2 Wochen fuhr ich dann mal zu meinen Eltern raus um mich mal zu rasieren oder ab und zu mal zu duschen..aber auch die Zeitabstände wurden größer..Faulheit siegt.

Einmal in der Woche kamen meine Eltern vorbei (natürlich nicht in die Wohnung sondern nur zur Haustür) und holten ein Plastikkorb Dreckwäsche ab und brachten die gewaschene und gebügelte Wäsche der Vorwoche.

Reinlassen konnte ich in die Wohnung keinen mehr das war mir (bis auf meinen gleichgeschalteten Freund) zu peinlich.

Da lag ich nun auf meiner Matratze mit dem Bezug von vor 6 Monaten in meinem abgedunkelten Zimmer und lebte das Leben eines Messis und alten Mann der die Kontrolle über sein Leben verloren hat und hätte auch aus Obdachloser durchgehen können ,den ganzen Tag (und Nacht) vorm Fernsehen und verließ manchmal meine Wohnung 4 oder 5 Tage nicht und frage mich allen ernstes ,warum ich keine neue Freundin finde.

So ging das über ein Jahr ,bis mir dann von einer Sekunde auf die andere der Faden riß und ich fast alles wie in einem Anfall in den Müll beförderte.

Dann nahm ich eine gründliche Reinigung an mir und meinem Lebensraum vor und stellte mein Leben von heute auf morgen total um.

Ich ging wieder unter die Leute und fühlte mich viel viel besser als ein fauler dahinsiechender.

Wenig später lernte ich meine neue Freundin kenne und das gab mir den letzten Schub ,sich von meiner peinlich Pennerhaften Phase zu verabschieden.

Wenig später verließ ich dann mein Loch und zog mit ihr in eine richtige Wohnug mit richtigen Putzregeln…und (zumindest das Leben) hält bis heute.

Heute ist mir die Sache eher peinlich und auch mein damaliger Siechgenosse hat diese Phase weit hinter sich gelassen.

Heute blicken wir mit einem lachenden Auge auf diese Zeit zurück und erinnern uns gegenseitig daran ,als wären es selbsterlebte Horrorstories.

Eine peinliche Zeit und eine peinliche Wohnsituation …ich bin froh das ich beides abgelegt habe ,wie ein Schneckenhaus ,bei dem ich mir heute gar nichtmehr vortstellen kann ,das das mal ich war.

..in diesem Sinne…Danke fürs Lesen…

*Ich hoffe meine peinliche Berichterstattung führt nicht zu falschen (Vor)Urteilen über mich und keiner kündigt mir deswegen die Freundschaft.:-)

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