Internetsucht

Frühjahr 1998.

Ich bezog mit meiner Freundin endlich eine größere und schönere Wohnung.

Mehr Platz und viel Startkapital von den Eltern bedeutete das ich mir endlich einen Traum erfüllen konnte und wir uns einen PC zulegten.

Internet und co waren damals noch nicht so verbreitet ,sodass mich erst ein Freund auf die Idee brachte als er mal sein Modem mitbrachte um mir das Internet zu zeigen.

Ein paar Tage später hatte ich selbst eins.

Die neue Welt die sich mir da auftat war kaum zu ergründen und sehr unübersichtlich.

Aber schnell blieb ich bei den Dingen die mir wichtig erschienen hängen.

Ich hatte dann auch schnell viele Freunde rund um die Welt mit denen man sich per Chat oder per Mail austauschte.

Ohne es richtig zu merken,verschob sich mein Tag immer mehr in die Nacht hinein und das auch bei meinen „Freunden“ (aus Deutschland) mit denen ich nur im Virtuellen Kontakt stand.

Ein bisschen komisch fand ich mich selbst als ich dann einen AOL Anschluß hatte ,einen von T-Online und einen von Compuserve.

Aber komisch kam mir das nur am Anfang vor ,dann war ich froh das ich gleich über mehrere Auffahrten ins Internet verfügte.

Dabei hatte AOL den besten Chat (für damalige Verhältnisse) waren aber teurer als T-Online und Compuserve hatte die besten Datenbanken für ihre Kunden ,was freie Software anging.

Da ich zur Interneteinstiegszeit nicht nur arbeitslos sondern auch völlig Hobbylos war ,bot sich das Internet mit seinen Möglichkeiten mir als völlig neu zu erkundens Feld an.

Also stand ich um 14 Uhr auf und schon beim Frühstücken knarrte und piepste das Modem seinen bekannten Sound,bei dem ich schon abhören konnte ,bei welchem Anbieter ich mich gerade einwählte.

Die Onlinesitzung ging dann bis mir morgens um 5 oder um 6 wieder die Augen zufielen oder einfach keiner mehr Online war mit dem ich chatten konnte.

Ich saß vorm PC und vorbei am Leben.

Mir fiel es nichmal sonderlich auf ,das ich meinen besten Freund den ich sonst alle paar Tage gesehen hatte nun schon seit 4 oder 6 Wochen nichtmehr gesehen hatte.

Mit ihm konnte ich auch nicht mehr lange telefonieren ,da er ja kein Internet hatte somit konnte ich mich mit ihm auch nicht über das austauschen ,was ich so den ganzen Tag „erlebe“.

Ich saß vorm Chat und meine Freundin kam von der Arbeit und machte sich ihr Abendbrot und ging irgendwann ins Bett ,als sie genug allein Fernsehen gesehen hatte.

Später ging sie früher ins Bett und weinte sich lieber in den Schlaf, was ich aber vor meinem Messenger und Browsern nicht mitbekam.

Der heiße Sommer 98 war für mich ein Sommer in einer noch heißere Wohnung in einer abgedunkelten Ecke vor dem PC.

Ich hatte meine festen Interntfreunde und auch Chatbekannschaften auf die man schon aufgeregt wartete ,bis sie endlich wieder online kamen.

Irgendwann hörte ich von meinem besten Freund fast gar nichts mehr ,aber ich hatte ja ein alternatives Betätigungsfeld und andere Freunde ,also fiel mir auch das nicht weiter auf.

Irgendwann verließ meine Freundin die gemeinsame Wohnung und zog zu ihrem Vater ,weil es nach ihren Angaben nichtmehr so weiterging und sie brauche Abstand und ich sollte mal in Ruhe über alles (vor allem unsere Beziehung) nachdenken.

Ihr Ausziehen hatte für mich aber Anfangs nur Vorteile ,denn nun konnte ich mich noch Hemmungsloser dem Web hingeben und gar kein schlechtes Gewissen mehr haben ,wenn ich erst ins Bett kam ,als sie schon wieder aufstehen mußte.

Als mir dann die Tragweite ihres Auszuges bewußt wurde ,war es schon zu spät.

Da ich nun meine Leben ohne das Einkommen meiner Freundin organisieren mußte ,passierte das einzig richtige.

Immer mehr ging mir das Geld aus und irgendwann bekamen auch AOL und die Telekom nichts mehr (weil einfach nichts mehr da war).

Irgendwann knackte mein Modem nur verzweifelt und als ich den Telefonhörer abnahm hörte ich keinen Ton mehr….Vorbei.

Seit dem (auch durch die Folgen dieses Wahns) gehe ich mit diesem Medium viel bewußter um und überlege mir vorher ,was genau ich vor habe ,wenn ich den Rechner einschalte.So klappts.

Heute höre ich dann immer öfter von neuen Internetanwendungen die auch ihre Süchtigen finden werden..oder schon gefunden haben….

…in diesem Sinne..Danke fürs Lesen

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