Der verlorene Freund

Man was haben wir uns früher mal gut verstanden.
Man sah sich sehr oft und konnte immer irgendwas bereden und wußte garnicht was man zuerst als nächstes zusammen unternehmen sollte.
Wir hatten viel Spaß und es gab immer was zu Lachen und jede Menge gut Laune.
Ein richtiger Freund eben.
Das ist im Prinzip keine 10 Jahre her….und was ist heute draus geworden.

Letztens kam er uns wiedermal besuchen und schon lange verdrehe ich eher die Augen wenn er klingelt als mich ehrlich zu freuen.
Vielleicht haben wir uns mit unseren Interessen unterschiedlich entwickelt ,oder eben ich habe mich weiter wentwickelt und er ist irgendwo stehen geblieben?
Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder…er ist immernoch alleine.
Er hat keine weiteren Freunde..eine Familie ,zu der er auch nicht das Beste Verhältnis hat.
Ich lebe nicht vor 10 Jahren ,sodass ich nicht das mit ihm unternehmen kann ,was wir früher mal ab und zu unternommen haben, aber ich habe den Eindruck ,selbst wenn ich wollte , würde er das nicht wollen.

Ich finde mich in einem Interessenfeld wieder ,in Dingen die mich bewegen oder Interessieren..die mit seiner Welt nichts gemeinsam haben.
Irgendwie so ,als würde ich überhauptnichts von seiner Welt heute kennen und auch nichts erkennen können ,was in seiner Welt so existiert.
Das ,was er von seiner Welt berichtet, ist sehr dünn und siehr eher nach „Zeit totschlagen“ aus und es gibt für mich nichts ,was für mich von Interesse wäre.

Und er kann mit meiner Welt kaum noch etwas anfangen.
Ich denke sogar bei so manchen Sachen ,die ich erzähle, ist er nicht nurgelangweilt ,sondern versteht nichtmal richtig ,was ich da überhaupt erzähle.

Seine Welt besteht nur noch aus dem vergagenen und kommenden Fernsehprogramm und seinem täglichen Sport…….mehr nicht.
Fernsehen ist für mich zur Zeit immer mehr was ,was zum Einschlafen dahindudelt und keineswegs mehr eine Quelle ,der ich konzentriert folgen will.
Ob nun der Ratgeber oder die witzige Show heute Abend im TV kommt ist für mich als Gesprächsthema belangloser als das Gerede übers Wetter.

Meine Welt besteht aus meiner Rolle im Familienleben, mit der er nichts anfangen kann.
Meine Welt besteht auch aus Problemen ,die ja meißt zwischenmenschlich sind….damit kann er nichts anfangen ,weil er weder Frau noch Kinder …noch einen engen Kontak zu seiner Familie hat.

Meine Welt sind die Ideen und Träume ,mit denen er nichts anfangen kann , weil er scheinbar nur noch für die Glotze lebt und dafür seine Bestzeiten in seinem Sport zu verbessern..den er stehts allein ausübt.

Seine Welt besteht darin…einfach mal allein durch die Stadt zu fahren ,auf das die Zeit vergeht und er nicht zu Hause allein hocken muß.
Seine Welt besteht darin…alle zwei Tage mal in den Baumarkt zu fahren um zu gucken..oder eben die Zeit totschlagen.

Seine Welt besteht in der Ablehnung gegenüber allem ,was irgendwie neu ist und womit man sich vor Nutzung beschäftigen muß.
Seine Welt ist darauf ausgerichtet ,das sich möglichst wenig ändern und möglichst viel in Routinen abläuft.
Da sich viel Interaktion und Kommunikation ins Internet verlegt hat, habe ich viel Kontakt zu Menschen auf diesem Wege.
Das Internet ist für ihn eine Sache..die er sich irgendwann mal zulegen will…(Vielleicht wenns kein Fernsehen mehr gibt).

Wie kann man nur ein Leben derartiger Stagnation führen?

Dann sitzt man sich gegenüber und das erste was er bei uns macht ,ist den Fernseher an und guckt dann wahrscheinlich genau das gleiche ,was er zu Hause auch gucken würde…aber er ist eben nicht allein.
Wenn ich ihn dann mal mit einer Zwangskommunikation dabei stöhre , versiegt jede Kommunikation irgendwann in einer „Ja“, „Nein“ Konter.
Ihn zu Besuch haben..an Kommunikation gewöhnt ,fühle mich eher als Animatuer ,der selbst bei Fragen auf die er nur knapp Antwortet immer wieder nachhakt um die Kommunikation künstlich am Leben zu halten.
Geheucheltes Interesse an Dingen ,die keinen Interessieren können und das hinwegsehen ,das der andere bei eigenen Erzählungen sichtlich nicht folgen will und kann.

Für eine sporadische SMS reichts dann doch noch ab und zu…..“hallo wie gehts denn..gibts was neues bei dir“……auf die dann meißt…“Nö, was soll es auch neues geben“….zurück kommt.

Oder es kommt eine SMS von ihm ,in der er berichtet was er den ganzen Tag so gemacht hat.
Auch wenns auf den ersten Leser lustig ist..ist es doch im Ganzen eher traurig ,wenn man bedenkt was es mal war……….

„Hallo…habe heute einen neuen Hammer gekauft,dann bin ich Rad gefahren und dann habe ich Bouletten gegessen und dann noch Schokolade…jetzt gucke ich Tatort“

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10 Responses to “Der verlorene Freund”

  1. Traeumer sagt:

    „Hallo…habe heute einen neuen Hammer gekauft,dann bin ich Rad gefahren und dann habe ich Bouletten gegessen und dann noch Schokolade…jetzt gucke ich Tatort“ … und dann blogge ich noch eweng – dafür wär’das Radfahrn mir zu anstrengend – aber ansonsten könnte die auch von mir sein – weil über Arbeit, Sorgen, Streß und Liebe, Liebe, Glück, Erfüllung etc. pflege ich mit Außenstehenden nicht zu kommunizieren ,)

    • Marcothien sagt:

      Kann dir nicht ganz folgen.
      Das Problem hier ist…..“jeder geht irgendwie seinen weg ……und keiner hat scheinbar großes Interesse ,wohin der Weg des anderen führt“…
      Wird sich tot laufen irgendwann…..

      • Traeumer sagt:

        Na die SMS hätte von mir auch so aussehen können – aber ich hab‘ ja auch noch nie enge Freunde die mehr von mir erwarten würden – intensivere Beziehungen, gemeinsame Entwicklung und was weiß nicht alles kenn‘ ich nur von Beziehungen zu Frauen

  2. P-LSD-T sagt:

    ich denke auch das du da vielleicht ein wenig zuharsch herangehst, wie wäre es denn mal wenn du mit ihm sport machst, ich meine nur weil er nichts von sich erzählen will heißt es nicht das da nichts ist.
    mann schottet sich gerne ab 😉 ich übrigens auch

    • Marcothien sagt:

      Und genau da liegt das Problem….ich will genauso wenig mit ihm Rad fahren ,wie er meine Interessen teilen will.
      So sitzt man sich gegenüber und weiß im Prinzip garnicht mehr ….warum.

  3. Schau-hin sagt:

    Ist eigentlich irgendwie schade so etwas. So etwas ähnliches passiert mit mir meinem Trauzeugen und Freund seit dem 3 Jahre alt war. Als ich letztes Jahr arbeitlos war haben er und seine Frau sich kaum und jetzt nicht mehr gemeldet.

    • Marcothien sagt:

      Ja schon schade…stimmt…..aber Menschen verändern sich und ihr Leben…immer wieder …..und manchmal gehts nicht in die gleiche Richtung….daran zerbrechen Freundschaften und Partnerschaften…

  4. Anabell39 sagt:

    Finde, dass haste beeindruckend beschrieben,
    ja das gibts,
    kenne das auch mit früheren Freunden,
    die wenn ich sie heute aufsuchen würde nach Jahren,
    sitzen sie event.auf dem gleichen Stuhl wie damals.
    So ungefähr jedenfalls. 🙂

    Doch die haben Ihr Leben, ich meins,
    Wege gehen auseinander,
    habe lange gebraucht, um das zu verstehen.

    Nur bei jedem Menschen ist es anders,
    die eigene Entwicklung,
    nicht bei Jedem ist es äusserlich feststellbar.
    Und die Geschwindigkeiten sind auch unterschiedlich.
    Vielleicht kann man letztendlich nie sagen,
    wer`s besser macht,
    denn 10 Jahre wiederum später,
    kanns total anders aussehen. Das weiss man nie.

    Anabell

  5. Mammuth sagt:

    Das Interessen, Lenbensumstäne, Ansichten sich ändern, ist normal. Trotzdem kann es schön sein nach langer Zeit alte Freunde zu treffen, Nostalgie zu pflegen und gut ist für die nächsten 5 Jahre.

    Seltsam finde ich, dass dein verlorener Freund regelmäßig den Kontakt sucht, obwohl es dir so vorkommt, als fände er dein Leben langweilig und uninteressant.
    Vielleicht nimmt er es ganz anders wahr als du?

    Aber wer kann Menschen schon ganz verstehen 😉